Wut. TAG LIN GER.

  • Projektziel: Produziere eine EP für Spotify und andere Streaming Services mit eigener Website und zum Thema „Wut“
  • Beteiligte: Mirko Jacbek (Sound Beratung, Titelcover und Social Media Co-Marketing)
  • Mittel: Audioaufnahmen mit EInsatz von Matrix Synth und ARP plus digitalem Schlagzeug und Kindergitarre für Soli in Logic Pro. Website via Hype. Publikation auf Streaming Services via iGroove
  • Start: 1.9.2021
  • Ende: 31.10.2022

Nach dem wunderschönen TaglingerYoung Projekt 2019-2020 und während des laufenden Projekts I X I, das 2022 monatlich erscheint, beginne ich mit einem neuen TAG LIN GER zum Thema Wut. Thomas Hettche hat mich gefragt, wie ich auf solche Themen komme. Ich denke mir, es hat viel mit einer Gegenbewegung der momentanen Projekte zu tun. Da IXI eher idyllisch angelegt ist, suchte ich ein Gegengewicht und bin in einen Industrial Sound mit dem Textmotiv der Wut gegangen.

Jede der bisherigen TAG LIN GER Arbeiten hatte ein darunterliegendes Motiv oder eine Machart, so wie Man will sich Exfreundinnen als Erinnerung vorgenommen hatte, ging es in alt um das Thema des Alterns. Die Musik folgte dabei auch einer prinzipiellen Machart, orientierte sich bei Man will an den Beatles, bei alt an Pop aus den 90ern, aber sie war nicht im Text festgezurrt. Bei Wut soll das ineinander greifen und über sieben Songs hinweg eine Geschichte über ein Gefühl erzählen. Ohne Erinnerungen preiszugeben.

September 2021

Ich suche mit einem ersten Demo, das ich von Mirko Jazbek gegenhören und beraten lasse, nach dem passenden Sound, der härter, mit mehr Verzerrung und elektronischer zugleich klingen soll.

Wut eins

So klingt Wut eins nach drei bis vier Versuchen

Eine Version, die eher mit Chorgesang und als Pop daherkam, habe ich dabei schon wieder komplett verworfen. Sie klingt zu sehr nach allem, was ich bisher gemacht habe. Daher der Schwenk auf eine Art von Rosenkranz, der den eigentlichen Voice-Anteil ruhig hält und sich im Beat und vor allem in den Gitarren und Samples verzerrter austoben soll. Einfach in ein Mikro zu schreien kann es nicht sein.

Remix der ursprünglichen STEMs zu einer durchgehend tanzbaren Version. Die Stimmen sind weiter in den Vordergrund gemischt.

Die Idee ist es dabei, tanzbar und redundanter zu sein, fast in Richtung Postrock oder Krautrock abzubiegen und mit viel Elektronik Dynamik in die Stücke zu bekommen. Auf einer Wanderung in den Schweizer Alpen bin ich mit viel Kraftwerk im Ohr auf eine andere Machart gestossen. Wieder, längst im Gehör. Die könnte weiterhelfen. Das Stück ist eigentlich ein dreigeteiltes, das die klassische Strophen/Chorus Form verloren hat. Ich sollte aber das Tryptichon noch ausarbeiten und im ersten Drittel den Gesang herausarbeiten, den Feedback Teil Stakkato-artiger setzen und den Schlussteil wirklich tanzbar und sehr elektronisch aufbauen, um abgehen zu können.

Wut zwei

Wut zwei noch ohne Voices und Zerr-Bass

In den Fussstapfen von Nine Inch Nails arbeite ich am zweiten Track. Nicht weil ich den schon vorziehen wollte. Er ergab sich sehr schnell als Test der neuen LOGIC Version mit Dolby Atmos. Der Track ist jetzt auch in Spacial Sound gemischt.

Wut zwei als vorerst fertiger Mix mit Voices und Talking Slide Guitar

Der Track suggeriert eine Hookline, hat aber keine, alle Teile stehen nebeneinander im Gesang und haben keine Strophen- oder Refainstruktur, sie wären unendlich oft miteinander und nacheinander kombinierbar. Das stellt sich zunehmend als Trick von Wut heraus. Copy&Paste Pop. Und ich überlege, die ersten beiden Tracks in einander zu mischen, so als wären sie ein Stück. Zuerst banal, indem ich das Zweite in das Erste überblende, aber vielleicht gehen dann auch Verschachtelungen, wenn man beide zusammen gehört hat. Als Siamesischer Soundzwilling. Vielleicht ist das auch eine Idee für einen Remix, wenn die EP veröffentlicht ist.

Oktober 2021

Wut drei

Wut drei – noch als reiner Basetrack, der noch keine Gitarren oder Stimmen hat.

Beim Durchhören der ersten beiden Stücke in einem Seitental bei Erstfeld scheint es mir angebrachter, elektronischer zu werden und auch mehr die klasssischen Strukturen eines wohltemperierten Klaviers zu verlassen. Dazu habe ich einen reinen Tritonus auf einem Buchla simuliert und dann langsam über einen Basisrhythmus den Groove dazu gebaut. Zuerst ohne feste Vorgabe, zusammen mit einem einzigen Akkord auf „h“ und „d“ aufbauend, der dann auf einem einzigen Ton „g“ wieder absteigend zunächst verharrt.

Die Stimmen haben sich jetzt zuerst über den Quasi Refrain gefunden, sie sind wie in den Strophen Rosenkranzartig aufgebaut.

Wut vier

Wut vier – Basetrack mit Gitarrenarbeit, noch ohne Gesang

Der Methode von Wut drei folgend arbeite ich wieder an einer Drohne entlang, die sich erst einmal ohne feste Strukturabsicht entwickelt. Es folgt dann eine Einteilung in drei Kreise, an die sich ein Rhythmuspattern aus einem digitalen Drummer anhängt, das sich in drei Ausbaustufen zu steigern beginnt. Dementsprechend setze ich einen eher vorsichtigen Bass, dann in einem Flanger weiter, der sich dann zum „Mörderbass“ entwickelt. Die logische Gitarrenarbeit dazu muss sich von einer Sphäre dann zu einem kantigen Lick und schliesslich in eine Verzerrungsorgie entwickeln. Jetzt habe ich eine Ahnung, wie sich der Gesang dazu entwickeln kann, denn er sollte vermutlich vom hohen Register in eine tiefe Oktave wandern und abkühlen, um den Stufen mit den verzerrten Gitarren entgegenzuwirken.

November 2022

Wut vier mit Gesang und Zusatzgitarre

Vielleicht sieht so die Optik von WUT aus. Es erinnert ein wenig an THRAK von King Crimson, deren Einfluss schon in der Gitarrenarbeit zu hören ist. Schliesslich hatte ich ja auch einmal ein Wochenende Stick Unterricht beim Bassisten Tony Levin, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Dezember 2022

Inzwischen habe ich alle bisherigen Tracks und weitere drei aus dem Stehsatz bearbeitet und in Dolby Atmos als Beta gemischt, um die EP als Ganzes bearbeiten zu können. Ihr Grundcharakter ist eher Electronic. Vor allem bei den Stimmen habe ich viel an Tonhöhen und am Vocoding geschraubt. Hier sind die sieben Tracks.

Wut eins
Wut zwei
Wut drei
wut vier
Wut fünf
Wut sechs
Wut sieben

Die beiden „Wut“ Songs eins und sieben sind die inhaltlichen Klammern. zwei und fünf, sechs sind fast als Liebesballaden der merkwürdigen Art zu sehen. drei und vier beschäftigen sich mit Menschen, die Wut in mir auslösen. eins und sieben benennen die Wut an sich.

Alle Betas sind durch den Dolby Atmos Mix transparenter geworden und vertragen mehr vollen Level. Sie sind noch unausgewogen im Mix, stellen aber schon die Räume dar, in denen die Songs stattfinden, die übrigens stark im Einfluss von „Kowalski“ stehen, aber die Band kennt leider niemand mehr, auch wenn er sie in den 80ern vielleicht noch erleben konnte… Schlagende Wetter ist aber jetzt wieder auf Spotify zu finden. Lohnt sich allemal.

Januar 2022

Intensives Durchhören der Tracks von Mirko Jacbek. Wir vereinbaren einen Abend Auditing im Februar, um die Einzelspuren genauer zu hören. Das Cover bekommt zum zweiten Durchlauf der Wut eine neue Iteration. Für die, die den Kopf nicht erkennen: das ist eine Fotografie von Adolf Hitler als Schüler. Ich finde er zeigt die Anlage dieser immensen Wut bereits. Passend zur Intention der Songs. Aber die optische Referenz ist zu eindeutig, zu banal.

Durchgehört mit Anatol Locker. Sein Input summiert sich darauf: Sounddesign extremer werden lassen, Drones rhythmisieren, Geschichten erzählen, Harmonien klarer werden lassen, um den Hörer reinzuziehen. Vor allem die „Geschichten“ gingen mir im Kopf um. Ich baue nicht Songs sondern Stories. Das heisst nicht, dass ich alle Tracks stupide aufbaue. Es ist mehr so wie ein szenischer Gang. Jeder Teil des Tracks ist eine eigene Szene, die in sich eine eigene Atmosphäre haben soll. So als würde man von einem Raum zu nächsten gehen. Mir träumte heute Nacht, die Instrumente bekämen Bewegung und schlängelten sich wie Reptilien umeinander, bewegten sich so von einem Punkt zu einem nächsten. Darum geht es. Nicht um Aufbau, sondern um Szenerie und den Gang von einer zur anderen.

In diesem Sinne ist der Track Wut vier bereits neu bearbeitet. Die unterschiedlichen Teile des Tracks gliedern sich in zunehmend kompaktere Szene auf, die im sphärischen mit einem Muezzin beginnen.

Wut vier – revisited
Wut fünf – revisited

wut fünf setzt auf eine durchgängige Rythmusspur mit Gesang, die wie in der Mitte sitzen und aus verschiedenen Räumen den Bass holen. So als würde das Arrangement kurz in den Nebenraum gehen und neue Basslinien holen.

März 2022

Wiederaufnahme nach der Veröffentlichung von ICKE. Ich arbeite viel mit ARTURIA Synths, um mehr Modularklänge reinzubekommen in das Arrangement, die Spitzen und Ecken verlieren sich im BETA-Mix, den ich immer wieder mit Mirko gegenspiegele. Ich versuche ein Schreien von der Stimme wegzuhalten, soweit es geht, sie weitestgehend weich klingen zu lassen. Bis jetzt hat das funktioniert, die Verzerrungen als überspannendes Stilelement sind eher auf den Bässen und dann natürlich auf den elektronisch verfremdeten Gitarren zu finden. Was auch klarer wird: Wut eins bis sieben sind nicht die passenden Songtitel.

Mai/Juni 2022

Die finalen Mixes beginnen und landen auf der Pre-Website https://wut.taglinger.ch, um sie Freunden vor der Veröffentlichung zu hören zu geben. Ich bin auf ihr Feedback gespannt.

  1. Arten

Der rosenkranzartige Grundton des Textes auf einem stumpfen Technobeat hat nach dem Besuch eines „Einstürzende Neubauten“ Konzerts noch metallene Perkussion bekommen und arbeitet jetzt mit hoher Stimmlage, um sich vom Schreien der Bässe zu entfernen. Es ist eine Bestandsaufnahme der Wutarten, die sich an den nun sehr treibenden GItarren reibt.

2. Dringe

Die verhallte Bassdrum und der sehr knarzige Sequenzer sind wie ein Nachhall auf „Arten“. Aus der Electronic Musik nehme ich den dumnpfen Viertelbeat mit und kontrastiere mit einem stark sexuell expliziten Text. Der Speed Techo MIttelteil soll explodieren und dann zum Massive Attack ähnlichen Schlusschor mit dem kaputten Slide Guitar Solo führen, das nun sitzt. Es wurde auf der Spielzeuggitarre meines Sohnes Aris gespielt. Dafür ist sie perfekt.

3. Hasse

An den Grundbeat zusammen mit dem rosenkranzartigen von „Arten“ setzt Hasse an. Auf einem flirrenden Rhythmus finden sphärische Klänge ohne klare Tonart ihren Platz, bevor die Prozession des Refrains auch wirklich am Schluss durch die Kanäle „wandert“. Vor allem der Nachklang macht eine Stilart von „Wut“ klar. Es klingen alle Songs durch Rückkoppelungen nach und aus. Oder durch Stille. Sie enden nicht einfach.

4. Streite

Der genervte Texte über Verschwörungsaluhütler arbeitet sich vom sphärischen hin zu einem Laidbackbeat, um dann radikal in Grunge mit Funkbässen zu verfallen. Die Stufe zurück zur Sphäre soll den ganzen Song wie einen Streit in der Climax beschreiben.

5. Neide

Hier sind die Einstürzenden Neubauten am meisten als Vorbild eingedrungen. Ohne den Gesang von Blixa Bargeld. Das ständig wandelnde Schlagwerk neben dem Betonpiano und dem lapidaren Gesang erzeugt ein Spannungsfeld, das mit Twanggitarren kontrastiert wird.

6. Trenne

MIt einer ruhigen Fläche erzeugt der Gesang den aggressiven Liebesgesang, der erst im SChlussteil instrumental noch einmal aufgenommen wird. Die zweitgeteilte Ballade soll die Ambivalenz des Textes unterstreichen und die Agression des Ausdrucks steigern. Ohne zu schreien. Die Beats wurden dazu am Schluss metallischer.

7. Quellen

Der „Hit“, wie Mirko sagt, hat ein klareres Refrain Motiv, aus dem ich mich in den vorherigen sechs Stücken bewusst herausgehalten habe. Die Songs sind nicht A B A B C aufgebaut, vielleicht noch am ehesten in „Quellen“. Schlageug und Basssynth gehen dabei eher in Discofunk über, allerdings arbeiten die anderen Instrumente in Richtung Miles Davis der frühen 80er und halten den Schmelz beiseite. Die „Owner of a loney heart“ Trompeten kommen so auch in einen vollkommen neuen Zusammenhang.

Die Website nimmt Gestalt an und beinhaltet nun schon die Beta Mixes 1.0 und die Texte.

Juli und August 2022

Die finalle Website, wenn es denn soetwas geben kann, ist um das Logo zur anstehenden Publikation gewachsen. Es entstand einem Sehtest, den ich neulich machen musste. Das Layout der Buchstaben hat micht zum finalen Look & Feel inspiriert. Die Songs haben nun auch ihre finalen Namen erhalten. wut.taglinger.ch wird noch die Sitecontents wie die Songtexte, Metatexte und die Videos (auf einem roten Contentstreifen unter dem Logo) aufnehmen.

Während die Mixes noch ein oder zwei Feilereien bekommen (ich probiere aus, saubere Master aus dem Dolby Atmos Mix herauszubekommen, das geht nicht wenn man noch einmal in einem eigenen File mastert…) , arbeite ich an den Videos. Vielleicht werden es diesesmal mehr als drei. Das Grundprinzipo ist das des Tableaus von Szenen , die aus dem Dunklen heraus vordergründig den Text nicht wiedergeben sondern aus Politik und Strassenverkehr stammen.

September 2022

Das Mastering mit der anschliessenden Publikation hat sich hingezogen, und am Schluss habe ich mich doch dazu durchgerungen, Zerrungen als Wutmetapher in den Mix einzubauen. Vor allem Track 5 und 7 haben dabei ihren Overhead verloren und zerren an. Das entspricht durchaus derzeit gängigen Mastering-Gewohnheiten, aber ich spiele hier natürlich mit dem Feuer und gehe schon alleine deshalb an die Grenzen zum „Unfall“, weil meine Arrangements meistens auch überladen sind und deshalb zu viel Fülle mit Zerrung klingt wie ein schlecht eingestellter Pegel. Wenn ich nicht aufpasse. Ich hoffe es ist mir gelungen.

Die Videos zu den Tracks nehmen Fahrt auf und sind als Promo und als Erweiterung des Projekts gedacht. Video 1 als optisches Eindringen bespielt Sex als zwei Ameisenhaufen, die sich gegenseitig Eier bringen. Der Effekt entsteht durch eine Aufnahme von Ameisen, die nach Öffnen eines Standtopfes die darunter verborgenen Eier in Sicherheit bringen. Diese Aufnahme vom Balkon läuft parallel rückwärts und sieht dadurch so aus, als würde es ein Hinübertragen von einem Haufen zum anderen geben. Die Projektionen finden wie in einem surrealen italienischen Sommerkino statt. Amore.

Das Video 2 zählt im Track die Arten der Wut auf und spielt in der Machart auf das Vater Video an, von dem ich meine, die Wut in mir geerbt zu haben. Eine private Referenz, die so nicht zu erkennen ist. Klar. Für Betrachter bleibt es eine Meditation darüber, wie Wut virusartig um sich greift und sich im Bauch einnistet.

Video 3 spielt mit Politikerköpfen als Schlangenzunge und den Reaktionen von Querdenkern mit Andeutungen zu geschnitzten Holzfiguren. Die Wutgrafiken aus Video 2 tauchen hier ebenfalls als Vokabel wieder auf. Die ersten drei Videos verstehen sich als eine Einheit.

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